Foto: Bernd Herzog-Schlagk,
FUSS e.V.

Ein hindernisfreier Bummel durch eine Fußgängerzone ist heute kaum noch denkbar. Oft werden Fußgänger durch Lieferanten, nicht ordnungsgemäß geparkte Kraftfahrzeuge und durch die zu allen möglichen Anlässen aufgestellten Stände behindert und aufgehalten. Nicht selten kommt es außerdem zu Konflikten zwischen Fußgängern und Radfahrern.

Auf folgende Fragestellungen versuchen wir mit Aussagen aus den Regelwerken als Ausführungsvorschriften zu antworten, die im Detail nicht immer mit dem Standpunkt des FUSS e.V. übereinstimmen und nicht als ausreichend oder zielführend betrachtet werden müssen, aber dem derzeitigen „Stand der Technik“ entsprechen:

Unter welchen Voraussetzungen kann der Radverkehr in Fußgängerbereichen zugelassen werden?

„Fußgängerbereiche dienen der freien und ungestörten Bewegungsfreiheit zu Fuß. Die Zulassung des Radverkehrs in Fußgängerbereichen stellt den Ausnahmefall dar und sollte nur in Betracht kommen, wenn dort wichtige Ziele des Radverkehrs liegen oder eine Umfahrung der Bereiche ein Sicherheitsrisiko darstellt oder stark umwegig ist. Für den Ausschluss bzw. die Einschränkung des Radverkehrs in Bereichen des Fußgängerverkehrs spricht in der Abwägung besonders, wenn es sich um dauerhaft sehr stark frequentierte Einkaufsstraßen handelt, andere Routen die Durchfahrung des Gebietes erleichtern und die Erreichbarkeit der Ziele mit kurzen Fußwegen möglich ist. Generell dürfen Fahrräder in Fußgängerbereichen geschoben werden.“ (ERA, 8.1)

Außerdem ist „in der Abwägung für die Zulassung und Führung des Radverkehrs in Bereichen des Fußgängerverkehrs […] eine Prüfung im Einzelfall hinsichtlich der Verträglichkeit mit dem Fußgängerverkehr nötig. Die Prüfung sollte die unterschiedlichen Nutzungen im Tages- und Wochengang berücksichtigen. Die Praxis zeigt, dass Radverkehr in Fußgängerbereichen in sehr unterschiedlichen Situationen verträglich ist.“ (ERA, 8.1)

Die Zulassung von Radverkehr kann auf bestimmte Tages- und Wochenzeiten oder auf einzelne Achsen oder Teilbereiche begrenzt werde. Eine Zeitreglung ermöglicht z.B. den Schülern und Schülerinnen, einen sicheren Weg zu wählen. Abends und nachts kann Radverkehr Bereiche des Fußgängerverkehrs beleben.

Neben der Breite der Straße und der Stärke des Fußgängerverkehrs sind bei der Zulassung des Radverkehrs jedoch noch weitere Kriterien zu berücksichtigen:

  • Nutzung der Seitenräume und Möblierung im Straßenraum,
  • Aufenthaltsnutzung versus zielgerichtetem Gehverkehrs,
  • Art des Radverkehrs (Alltag, Schüler, Durchgang, Erholung, Freizeit),
  • Ganglinien des Radverkehrs (Tag und Woche),
  • Gestaltung und Belag

Als Anhaltswert ermöglichen folgende Belastungszahlen eine erste Einschätzung:

  • Bei bis zu 100 Fußgänger pro Stunde und Meter Straßenbreite stellt sich in der Regel eine vollständige Mischung von Fußgänger- und Radverkehr innerhalb des Straßenraums ein.
  • Im Bereich zwischen 100 und 200 Fußgänger pro Stunde und Meter Straßenbreite empfiehlt es sich, den Radverkehr bei genügender Breite durch entsprechende Anordnung der Möblierung und Materialauswahl auf einen Streifen zu kanalisieren.
  • Bei mehr als 200 Fußgänger pro Stunde und Meter Breite sind zahlreiche Interaktionen zwischen Fußgänger- und Radverkehr die Regel.

Radwege und Markierungen in Fußgängerbereichen sind auszuschließen. Eine bauliche Anlage einer Fahrgasse für den Radverkehr, etwa im Hinblick auf hohe Dichten des Fußgängerverkehrs, ist dann problematisch, wenn sie einen Vorrang gegenüber dem Fußgängerverkehr suggerieren. Bei breiteren Fußgängerverkehrsstraßen mit einer ÖPNV-Führung ist im Einzelfall zu prüfen, ob der Radverkehr im Zuge der ÖPNV-Fahrgasse verträglich abgewickelt werden kann. Bei zu dichten Taktfrequenzen im Straßenbetrieb ist das nicht ohne Weiteres möglich.

Soweit die Prüfung der Zulassung kein eindeutiges Ergebnis liefert, kann die Zulassung versuchsweise angeordnet werden. Die dauerhafte Zulassung des Radverkehrs ist widmungsrechtlich abzusichern (ERA, 8.1)

Was muss bei der Gestaltung und Kennzeichnung von freigegebenen Fußgängerbereichen beachtet werden?

„1) Durch die Gestaltung, z.B. die Möblierung oder einen durch die Oberflächengestaltung angedeuteten Bereich, wird dem Radverkehr eine Führung angeboten. Förderlich ist es, den Grundsatz der angepassten Geschwindigkeit des Radverkehrs zu unterstreichen.

2) Die Querschnittsgestaltung kann dazu beitragen, dass der Radverkehr in der Straßenmitte einen durchgängig befahrbaren Bereich angeboten bekommt

3.) In weitflächigen Bereichen des Fußgängerverkehrs kann mittels Wegweisung dem Radverkehr eine Umfahrungsmöglichkeit einzelner stark frequentierter Bereiche angeboten werden

4.) An geeigneten Standorten in bzw. am Beginn von Bereichen des Fußgängerverkehrs sollen Fahrradabstellanlagen eingerichtet werden .

Eine zeitliche Beschränkung der Freigabe erfolgt durch Zusatzzeichen. Bei Bedarf kann in einem Zusatzschild die Forderung nach der Anpassung der Geschwindigkeit verdeutlicht werden.“ (ERA, 8.2)

Wie haben sich Radfahrerinnen und Radfahrer in Fußgängerbereichen zu verhalten?

Ausgeschilderte Fußgängerzonen dienen grundsätzlich den Fußgängern und sind damit für Fahrzeuge und somit auch für den Radverkehr unzulässig: „Andere Verkehrsteilnehmer dürfen ihn nicht benutzen.“ (StVO, §41, Zeichen 242/243, 1.). Mögliche Ausnahmen sind Fußgängerzonen, die durch zusätzliche Straßenverkehrsschilder für den Radverkehr, Lieferanten oder andere Verkehrsmittel freigegeben sind. Absoluten Vorrang hat in diesem Fall allerdings immer der Fußgänger.

In den Ausnahmefällen mit Zulassung des Radverkehrs müssen Radfahrer die Geschwindigkeit an Fußgänger anpassen, in unklaren Fällen vom Fahrrad absteigen und dem Fußgänger Vorrang gewähren. Ein Behinderung oder Gefährdung der Fußgänger muss in jedem Fall ausgeschlossen werden (StVO, §41, Zeichen 242/243, 2.) Ansonsten droht der Radfahrerin oder dem Radfahrer nach Befahrung einer freigegebenen Fußgängerzone mit z.B. mehr als Schrittgeschwindigkeit ein Bußgeld in Höhe von 15 Euro. (BT-KAT-OWI, TBNR 141196 )

Weitere Informationen zum Verkehrsverhalten finden Sie unter www.senioren -sicher-mobil.de > Tipps für Radfahrerinnen und Radfahrer.

 

Eine Übersicht über die für den Fußverkehr relevanten Planungsgrundlagen und weitergehende Hinweise finden Sie im Literatur-Register. Die genauen Bezeichnungen der in diesem Abschnitt verwendeten Planungsgrundlagen entnehmen Sie bitte in kompakter Form den Quellenangaben unten auf dieser Seite. Die Links im Text oben führen Sie dagegen zum Literatur-Register, da dort bei manchen Regelwerken zusätzlich weiterführende Literatur genannt wird.

Gemeinsame Geh- und Radwege, Getrennte Geh- und Radwege, das Radfahren auf Gehwegen und das Abstellen von Fahrrädern werden in den entsprechenden Rubriken behandelt. Über die Planungsgrundlagen hinausgehende Informationen finden Sie in der FUSS-Empfehlung: Innerörtliche Gehwege und Fahrradnutzung und in der entsprechenden Themengruppe Fußgänger und Radverkehr auf unserer Website www.fuss-ev.de, insbesondere im PDF-Infoblatt Keine Radwege auf Gehwegen.

Quellenangaben

BT-KAT-OWI - Bundeseinheitlicher Tatbestandskatalog für Straßenverkehrsordnungswidrigkeiten, Stand: 01.05.2014,10. Auflage 2013

ERA - Empfehlungen für Radverkehrsanlagen, Ausgabe 2009

StVO - Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur BMVI (Hrsg.): Straßenverkehrs-Ordnung StVO, in der Fassung vom 6. März 2013