Bußgelder sollen auch verringert werden

Das Bundesverkehrsministerium möchte das Straßenverkehrs-, das Ordnungswidrigkeitengesetz und die Buß-geldkatalog-Verordnung (BKatV) verändern. Der Blick wird auf Autobahnen und Außerortsstraßen gelenkt. Die Presse brandmarkt wunschgemäß die Verdoppelung bestimmter Bußgeldsätze als „Abzockerei“ und liest sich natürlich nicht den 85-seitigen Referentenentwurf durch. Wir haben etwas genauer hingeschaut und bieten ein Kontrastprogramm zu den aufgebrachten Tagesmedien:

Ist denn die Höhe des Bußgeldes tatsächlich so wichtig? Das Bundesverkehrsministerium sagt ja: „Um zu einer effektiveren Wirkung der Durchsetzungsmaßnahmen zu gelangen, stehen zwei Ansatzpunkte zur Verfügung. Es sind dies die Intensität der Verkehrsüberwachung und die Wirksamkeit der Sanktionen, wobei letztere maßgeblich von ihrer Höhe abhängt.“ (1)

Euro ist überall Teuro

Der Gesetzgeber will mit den Neuerungen eine „Grundlage schaffen für eine stärkere Differenzierung ... in Abhängigkeit von deren Bedeutung und Vorwerfbarkeit.“ (1) Außerdem hatte er noch zwei weitere Beweggründe:

  • Zum Großteil stammen die Regelsätze noch aus dem Jahr 1989. Allein durch die Inflation wurden die Bußgelder im Lauf der Zeit entwertet; Löhne und Preise sind um mehr als ein Drittel gestiegen. Eine Anhebung um den Faktor 1,4 wäre also lediglich ein Inflationsausgleich.
  • Da das Verkehrsministerium jedoch die Bußen nicht linear, sondern nach der Bedeutsamkeit der Verstöße gegen die Verkehrssicherheit differenzieren will, entstanden so leichte Senkungen und teilweise Verdoppelungen der Sätze.
  • Schließlich können nach einer EU-Regelung Bußgeldsätze unter 70 Euro im EU-Ausland nicht mehr vollstreckt werden. Eine Anhebung auf diesen „Mindestsatz“ war also für viele Verstöße bereits deshalb nötig.

Zu denken gegeben hatte dem Ministerium auch, dass in den EU-Staaten mit der besten Unfallbilanz (Niederland, Schweden) die Regelsätze deutlich höher sind als hierzulande und zwar etwa um das Doppelte. Dieser Umstand hatte der CDU und der Autolobby nicht zu denken gegeben, sie sprachen von „Abzockerei“. Doch erstens sollen laut Beschluss der Verkehrsminister die (Mehr)Einnahmen durch Bußgelder für die Hebung der Verkehrssicherheit verwendet werden und zweitens kann nur der abgezockt werden, der erwischt wird. Damit sieht es in Deutschland jedoch schlecht aus: Die Wahrscheinlichkeit, bei einem Verstoß von der Polizei „ertappt“ zu werden, ist gering.

Ist sparen immer gut?

Mit einer Neustrukturierung des derzeitigen Bußgeldkataloges sollen „etwa 80 Tatbestände eingespart“ werden. Während sich die Medien über die geplante Erhöhung der Bußgelder für Autofahrer ereifern, soll offensichtlich an Stellen gespart werden, wo immer schon gespart wurde und wird, bei Konflikten zwischen dem Auto- mit dem Fuß- und Radverkehr. Dort können sich die Autofahrer auch in Zukunft „leichte Zuwiderhandlungen“ zu Niedrigpreisen leisten. Das kann nach Auffassung des Bundesverkehrsministeriums „hingenommen werden“. (2) Dies Kuriosum soll beispielhaft belegt werden:

Kostengünstiges Falschparken

„Rechtswidriges Parken mit Behinderung“ nur kurz oder „länger als 1 Stunde“ sind „geringfügige Ordnungswidrigkeiten ohne nennenswerte Bedeutung für die Verkehrssicherheit“ (3) Im Rahmen der Veränderungen des Bußgeldkataloges zum 1. April 2004 wurde hervorgehoben, dass insbesondere für den „Bereich des rechtswidrigen Parkens ein massiver Bußgeldtatbestand geschaffen wurde.“ (4) Dieser Vorsatz scheint vom neuen Bundesverkehrsminster nicht weiter verfolgt zu werden.

Wer sein Auto auf Geh- oder Radwegen unzulässig parkt, kann sich von seinen oder ihren schweren Selbstvorwürfen weiterhin mit be-scheidenen 15 Euro freikaufen. Wenn vom Fahrzeug eine Behinderung ausgeht, weil z.B. ein Rollstuhlfahrer festgeklemmt ist, muss derzeit 25, nach inkrafttreten des neuen BKat nur noch 20 Euro bezahlt werden. Dauert die Behinderung länger als eine Stunde, unser bedauernswerter Rollstuhlfahrer steckt noch immer fest, soll dies auch nicht mehr wie bisher 35 sondern nur noch 30 Euro kosten. Wer heute einen Menschen durch einen abgestellten Pkw behindert muss 25 Euro zahlen. Für den gleichen Preis soll es künftig möglich sein, eine körperliche „Gefährdung“ auszuüben.

Wer allerdings mit seinem parkenden Fahrzeug nicht nur Menschen behindert oder gar gefährdet, sondern sogar Sachbeschädigung verursacht, wird deutlicher zur Kasse gebeten. Wenn die Bananen des Obstladens beim Einparken auf dem Gehweg-Parkplatz zu Matsch gefahren werden, dann sollen unsere Ordnungshüter sehr streng werden und sogar 35 Euro fordern.

Wer sein Auto an einer unübersichtlichen Straßenstelle mit Behinderung anderer Verkehrsteilnehmer parkt, soll statt derzeit 25 nur 20, bei länger als einer Stunde statt 35 nur 25 Euro bezahlen. Eine ähnliche Bußgeldminderung soll offensichtlich zum Parken in den 5-Meter-Bereichen an Kreuzungen und Einmündungen und im 15-Meter-Bereichen vor Haltestellen animieren, den aus der Sicht der Verkehrssicherheit und des Querungskomforts neuralgischen Punkten für den Fußverkehr. Sie sind weiterhin mit 10 Euro dabei, dauert dieser Parkvorgang mit Behinderung über mehr als drei Stunden an, soll das Bußgeld von derzeit 30 auf 25 Euro vermindert werden. Das Falschparken in verkehrsberuhigten Bereichen soll dagegen mit zehn Euro weiterhin in Parkgebühren-Nähe verbleiben.

Gehwegfahren teurer

Wer zu seinem billiger werdenden Parkplatz auf dem Gehweg kommen möchte, muss häufig auf dem Gehweg fahren. Und hier liegt die echte Ungerechtigkeit für Autofahrer im neuen Bußgeldkatalog-Sytem: 100 % mehr! Müssen bisher für die vorschriftswidrige Gehwegbenutzung durch Fahrzeuge fünf zahlen, soll der Betrag nun auf zehn Euro aufgestockt werden.

Nur, wenn damit ausnahmsweise eine Gefährdung von Fußgängern einher geht, bleibt der Betrag unverändert bei 20 Euro. Deutlich teurer soll es werden, wenn Kraftfahrer z.B. beim Wenden und Rückwärtsfahren bspw. auf dem Gehweg einen Fußgänger gefährden: Jetzt 50, neu 80 Euro. Wenn man allerdings die Polizei überzeugt, dass man sich im Einfahrvorgang aus einem Grundstück befindet, soll das Bußgeld mit 45 Euro festgelegt werden.

Weitere „Geringfügigkeiten“

Unzulässiges Halten z.B. mitten auf einem Zebrastreifen oder im 5-Meter-Bereich davor, wird weiterhin mit lächerlichen zehn Euro geahndet. Dass dieses Fehlverhalten wegen der Verdeckung der Sichtachse auf die Fahrbahn für die Fußgänger gravierende Folgen haben kann, wird in den „Richtlinien für die Anlage und Ausstattung von Fußgängerüberwegen“ deutlich dargestellt, die ebenfalls vom Bundesverkehrs-ministerium herausgegeben wurden. (5) Wer trotz stockenden Verkehr noch schnell wei-ter-fährt und dann auf dem Fußgängerüberweg zu Stehen kommt, soll auch zukünftig nur fünf Euro zahlen. Es wäre interessant zu erfahren, ob dieses Verhalten jemals geahndet wurde.

Wenn der Gesetzgeber dem Aufreißen der Autotür in Fahrbahnrichtung ohne Beachtung des Radverkehrs eine „nennenswerte Bedeutung“ abspricht, handelt er nach unserer Auffassung grob fahrlässig. Wer hält nicht bei jeder zweiten Stadtfahrt mit dem Fahrrad den Atem an, wenn man diese Gefährdung mal wieder lebend überstanden hat? Weiterhin zehn Euro, so man sich jemals dabei erwischen lässt.

Behinderungen des öffentlichen Personenverkehrs werden vom Ministerium ebenso als geringfügige Ordnungswidrigkeiten eingestuft: Für das Halten im Fahrraum von Schienenfahrzeugen gilt derzeit der Regelsatz von 20 Euro, der nicht erhöht und bei Behinderung sogar von derzeit 30 auf 25 Euro vermindert werden soll. Noch deutlicher heruntergesetzt werden soll die unberechtigte Benutzung von Sonderfahrstreifen für Omnibusse des Linienverkehrs (Busspuren) mit Behinderung von 35 auf 20 Euro. Der Vollständigkeit halber sollte erwähnt werden, dass das Falschparken an U-Bahn-Notausstiegen, auf Behindertenparkplätzen und auf Feuerwehrzufahrten auf 100 Euro verdop-pelt werden soll.

An den Umweltsünden geht die Erhöhung der Bußgeldbeträge schon allein aufgrund der allgemeinen Geldentwertung vorbei: Wer bei der Benutzung eines Fahrzeuges unnötigen Lärm erzeugt oder vermeidbare Abgasbelästigungen verursacht, soll dafür auch weiterhin mit zehn Euro büßen, so sich eine Ordnungskraft findet, die damit sich abzugeben bereit ist.

Teuerungen

Pikant ist auch angesichts dieser Änderungen gegen Fußgänger und Radfahrer, dass der Regelsatz der Verwarnungsgelder zwar bei Fußgängern unverändert bei fünf Euro bleibt, der für Radfahrer jedoch um ein Drittel auf 15 Euro erhöht werden soll. Die Nichtbenutzung markierter Schutzstreifen soll sogar auf 20 Euro verdoppelt werden. Ebenfalls teurer kann das Abbiegen werden: Wer nicht an der rechten Seite des in gleicher Richtung abbiegenden Fahrzeugs bleibt und wer beim Linksabbiegen nicht absteigt, obwohl es die Verkehrslage erfordert, zahlt fünf Euro mehr.

Interessant ist, dass das Verhalten beim Rechts-abbiegen mit Grünpfeil so unproblematisch ja dann doch nicht zu sein scheint, wie es uns immer erklärt wird. Hier soll es deutliche Buß-gelderhöhungen geben: Wer als Rechtsabbie-ger beim Grünpfeil nicht vorher anhält, soll statt derzeit 50 zukünftig 70 Euro zahlen, wer Fußgänger und Radfahrer behindert oder den übrigen Fahrzeugverkehr gefährdet 100 (bisher je 60 Euro).

Fazit

Die Gesetzgeber sind auf einem Auge blind: Verstöße gegen die Sicherheit von Fußgängern und Radfahrern sollen nur geringfügig angehoben, niedrig gehalten oder sogar noch vermindert werden. Das ist der tatsächliche Skandal und nicht die in den Medien hochgespielte „Abzockerei“ der Autofahrer. Darüber hinaus soll die Sachbeschädigung mit deutlich höheren Bußgeldern belegt werden als die Behinderung oder gar Gefährdung von Menschen zu Fuß oder mit dem Rad. Mit einer umfassenden Verkehrssicherheitspolitik zum Schutz der besonders unfallgefährdeten Verkehrsteilnehmer hat das nichts zu tun.

Angesichts des starken Gegenwinds durch die Auto-Lobby besteht die Gefahr, dass die Erhöhungen der Bußgeldsätze bei Tempo- und Abstand-Verstößen reduziert und die kritikwürdigen Senkungen und Ausnahmen vom Koalitionspartner und den Ländern abgenickt werden. Minister Tiefensee stellte den Entwurf auf der Verkehrsminister-Konferenz VMK am 9.+10. Oktober 2007 zur Diskussion und die Medienberichterstattung lässt vermuten, dass die Umsetzung recht schnell vonstatten gehen könnte.

Die Stellungnahmen der Verbände wurden bis zum 25. Oktober erbeten, ohne Angabe darüber, was mit dieser „stillen Post“ geschehen wird. Allein schon das Verfahren lässt erahnen, dass eine Hinterfragung des „heimlichen Lehrplanes“ des Bußgeldkataloges nicht erwünscht ist. Immerhin traf sich der Bundestagsausschuss für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung bereits einen Tag zuvor, am 24. Oktober. FUSS e.V. hatte im Jahr 2001 eines der umfassendsten Änderungsvorhaben der Straßenverkehrs-Ordnung StVO unter dem damaligen Motto des Bundesministeriums „Weniger Verkehrszeichen - Mehr Verkehrssicherheit“ zu Fall gebracht. Damals sollten unter einem unverfänglichen Etikett hauptsächlich Regelungen zum Schutze des Fußverkehrs demontiert werden.

Mit dem vorliegenden Referentenentwurf können keine Rechte demontiert werden, die stehen in der StVO. Mit dem Bußgeldkatalog aber werden die Rechtsbrüche bewertet und damit auch die Regeln für mehr oder weniger wichtig erachtet. Anknüpfend an die Formulierung, dass differenziert werden soll nach der „Vorwerfbarkeit“ halten wir diese Vorlage für verwerflich, weil die Schere unabhängig von den möglichen Folgen für die Verkehrsteilnehmer auseinanderklafft:

Wer durch ein falsch geparktes Fahrzeug im Bereich eines Fußgängerüberganges in einem Kreuzungsbereich mehr als drei Stunden lang Fußgänger zumindest behindert aber eben in der Regel auch gefährdet wird derzeit mit 30 Euro, im Entwurf nur noch mit 25 Euro „eingestuft“. Wer aber die Vorfahrt nicht beachtet und einen anderen vorfahrtberechtigten Kraftfahrer gleichfalls „nur“ behindert, soll statt bisher mit 25 nun mit 50 Euro zur Kasse gebeten werden. Rein zahlenmäßig steht das Vergehen gegen die Fußgänger zur Zeit bei 120 % gegenüber dem Vergehen gegen einen einzelnen Kraftfahrer und es soll auf 50 % gesenkt werden.

Die Summe der Aufwertungen der Bußgeldbeträge in den sogenannten „Abzockbereichen“ bei gleichzeitiger Stagnation oder Verminderung im Bereich der Vergehen gegen Fußgänger und Radfahrer kann nur als ein Signal verstanden werden zur Umdefinition von teilweise höchst gefährlichen Verhaltensweisen zu einem „Kavaliersdelikt“. Damit wird noch eine Zunahme der flächenmäßigen Nichtverfolgung solcher weniger bedeutenden Vergehen einhergehen. Die Praxis städtischer Polizei, per Rundschreiben gar nicht mehr auf Vergehen im Niedrigsektor der Bußgelder aktiv zu werden, ist bekannt. Was da unter dem Titel „Verbesserung der Verkehrssicherheit“ daherkommt, ist mehr als eine Mogelpackung.

In Kürze

Im Schnellverfahren wird derzeit eine Gesetzes-änderung durchgeführt, in der rechtswidriges Verhalten gegenüber den Verkehrsteilnehmern im Umweltverbund als eher „bedeutungslos“ und von geringerer “Vorwerfbarkeit“ dargestellt und gegenüber dem motorisierten Verkehr ver-teuert wird. Es ist höchste Zeit zu intervenieren!

Quellennachweise:

  1. Referentenentwurf, Gesetzentwurf der Bundesregierung: Gesetz zur Änderung des Straßenverkehrsgesetzes und des Gesetzes über Ordnungswidrigkeiten, Stand 26.06.2007
  2. Dr. Frank Albrecht, Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung, Verbände-Anschreiben vom 17.09.2007
  3. Dr. Frank Albrecht, Antwort auf eine Nachfrage durch die mobilogisch!-Redaktion vom 2.10.2007
  4. Winfried Thubauville, Vorwort: Bußgeldkatalog auf einen Blick, Bundesanzeiger Verlag, 2004
  5. BMVBW (Hrsg.): R-FGÜ 2001

 

Dieser Artikel von Bernd Herzog-Schlagk und Stefan Lieb ist in mobilogisch! , der Vierteljahres-Zeitschrift für Ökologie, Politik und Bewegung, Heft 4/2007, erschienen. 

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